Antifaschistische Demo in Zwickau 06.11.21 „Gestern, heute, morgen?“

Wir dokumentieren hier den Aufruf unseres Bündnisses „Irgendwo in Deutschland“ zur überregionalen antifaschistischen Demonstration anlässlich des 10. Jahrestages der Selbstenttarnung des NSU „Gestern, heute, morgen?“ am 06.11.2021, um 14:00 Uhr in Zwickau.

Es wird eine gemeinsame Busanreise aus Hamburg geben. Treffpunkt 7:45 Uhr S-Sternschanze, Abfahrt 8:00 Uhr, 5€, 2G – bringt bitte Impfpass oder Genesenennachweis mit. Zur Anmeldung schreibt eine Mail an busfahrt_zwickau@riseup.net

Am 04.11.2021 jährt sich die Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zum zehnten Mal. Schon vor 5 Jahren riefen wir anlässlich des Jahrestages dazu auf mit uns nach Zwickau zu fahren, um an dem Ort in dem das NSU-Kerntrio über Jahre nicht nur unentdeckt, sondern sogar bestens vernetzt in der Nachbarschaft leben konnte, mit uns zu demonstrieren. Nach den Morden an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat, sowie für den Mord an Michèle Kiesewetter, den drei Sprengstoffanschlägen und den Raubüberfällen, bei denen Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden, bildete ihr Haus in der Zwickauer Polenzstraße immer einen sicheren Rückzugsort.

Vieles ist in den letzten 10 Jahren schon darüber geschrieben worden, wie die Verschränkung von neonazistischer Gewalt, der Ignoranz der Dominanzgesellschaft und der strukturelle Rassismus in Deutschland, vor allem innerhalb der Sicherheitsbehörden, die Taten des NSU ermöglichte und nun eine Aufklärung erschwert. Viele Aktivist:innen und eine kritische Zivilgesellschaft haben aus der Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex ihre Lehren gezogen und nehmen nun die Stimmen von Betroffenen rassistischer und neonazistischer Gewalt ernster und verweisen auf sie im öffentlichen Diskurs. Auch gesellschaftliche Funktionseliten – Politik, Medien und Institutionen – gaben sich nach der Selbstenttarnung des NSU betroffen.

Einhellig war man der Meinung, dass man es nicht für möglich gehalten habe, dass Neonazis über Jahre im Untergrund morden und bomben und dabei unbemerkt bleiben können. Dabei hatten schon 2006 tausende (Post-)Migrant:innen im Rahmen einer Doppeldemonstration „Kein 10. Opfer“ gefordert und darauf hingewiesen, dass es sich bei der Mordserie um Neonazis handeln könne. Doch sowohl Dominanzgesellschaft als auch die politische Linke hörte sie nicht oder nahm sie nicht ernst. Für den größten Teil der deutschen Gesellschaft ist mit dem Urteil im Münchner NSU-Prozess der NSU-Komplex inzwischen abgehakt. In der hegemonialen Erzählung klammert man sich weiter an die These, dass der NSU aus drei Personen, sowie einigen Unterstützer:innen bestand, welche im Prozess abgeurteilt wurden. Dabei existieren genug Belege, die die Triothese unhaltbar machen. Schon allein das verdeutlicht, dass bei weitem nicht genug aufgearbeitet ist: Man kann davon ausgehen, dass mindestens mehrere Dutzend mutmaßliche NSU-Unterstützer:innen auf freiem Fuss sind. Zudem würde eine ausführliche Aufarbeitung des NSU-Komplex bedeuten, zu hinterfragen, welche Strukturen und Ereignisse es waren, die den NSU erst ermöglicht haben. Das NSU-Kerntrio und der größte Teil ihrer Unterstützer:innen wurden während der rassistischen Pogrome im Zuge des Anschlusses der DDR an die BRD sozialisiert. Neonazis konnten damals ihr rasstisches Programm gewalttätig auf der Straße exekutieren, sich als legitime Vollstrecker:innen des Volkswillens fühlen und wurden schlussendlich mit rassistischer Politik durch die Parlamente, z.B. mit der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, belohnt. Parallelen zu dieser Situation kann man spätestens seit 2015 wieder beobachten. Die rechtsterroristischen Strukturen und Anschläge der letzten Jahre sprechen dabei Bände. Dabei handelte es sich entweder um offene Neonazis, die zum Teil direkte Bezüge zum NSU aufweisen, wie bei dem Mörder Walter Lübckes oder der mittelfränkischen III. Weg-Aktivistin Susanne G. oder um extrem Rechte, die sich während der rassistischen Proteste gegen Geflüchtete zusehends radikalisierten. Und spätestens seit dem Mord durch einen Änhanger der sogenannten Querdenkenbewegung muss auch klar sein, dass es sich bei den rechten Maßnahmenprotesten gegen Corona um eine Ermöglichungsstruktur von rechtem Terror handelt. Mit der AfD hat sich inzwischen auch ein diskursiver Arm des rechten Terrors in den Parlamenten etabliert. Dass man sich bei der Bekämpfung von rechtem Terror nicht auf den Staat und seine Sicherheitsbehörden verlassen kann, zeigen regelmäßig neue extrem rechte Strukturen bei Polizei und Militär.

Wir rufen euch daher auf:

Fahrt mit uns gemeinsam am 6.11.2021 nach Zwickau. In die Stadt in der das NSU-Kerntrio über Jahre ungestört leben konnte und es NSU-Unterstützer:innen heute noch können. Zeigt euch solidarisch mit den Aktivist:innen vor Ort und kommt in die Stadt in der militante Neonazis inzwischen seit mehreren Jahren Menschen terrorisieren und jagen, die nicht in ihre Ideologie passen und in der die Stadtpolitik das immer noch nicht ernst genug nimmt. Lasst uns gemeinsam gegen ein Klima demonstrieren, dass es Rechtsterrorist:innen ermöglichte, sich jahrelang vollkommen integriert in der Nachbarschaft zu bewegen und das heute dazu führt, dass sich in derselben Stadt die Rechtsterrorist:innen von morgen politisieren.

Weitere Infos zur Demo: https://www.rassismus-toetet-leipzig.org/index.php/zwickau0611/

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