Redebeitrag 12.10.2019 „Nichts gelernt!? Gegen Naziterror und Antisemitismus“

Es heißt, der Nazi-Terrorist aus Halle soll ein Einzeltäter gewesen sein.

Der Täter vom Mittwoch war kein „Einzeltäter“. Er mag zwar am Mittwoch allein gehandelt haben. Aber er agierte in Bezugnahme auf andere, bewegte sich in Netzwerken und folgte einer Ideologie.

Den Antisemitismus, den Rassismus, die Frauenfeindlichkeit in seinem Manifest hat er sich nicht alleine ausgedacht. Diese sind Teil dieser Gesellschaft und werden in ihr immer wieder erneuert. Der rechte Konsens dieser Gesellschaft bietet Neonazis Rückhalt.

Auch den Schritt zur Tat hat er nicht alleine gemacht. Er war mit einer extrem rechten Online-Community vernetzt. Vor allem weiße heterosexuelle junge Männer holen sich dort ihre Bestätigung ab und radikalisieren sich gegenseitig. Dort wurde der Täter angefeuert und bestärkt.

Seine Tat ist auch kein Einzelfall, sie steht in einer ganzen Reihe von Anschlägen und Anschlagsversuchen weltweit. Der Täter war inspiriert von den Attentaten in Christchurch, Pittsburgh und Norwegen. Seine eigene Tat sollte wiederum weitere Nazis zum Morden anstiften.

Die Morde reihen sich auch ein, in eine Geschichte rechten Terrors in Deutschland. Diese Geschichte bleibt in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings unsichtbar. Jedes Mal, wenn Nazis geplant morden, sei es im Fall Lübcke, beim NSU, oder anderen, ist die öffentliche Reaktion die gleiche. Jedes Mal aufs Neue scheint der Stand der Auseinandersetzung mit Rechtem Terror auf Null gesetzt. Jedes Mal ist man wieder überrascht, dass es in Deutschland bewaffnete Neonazis mit Mordabsichten gibt.

Bundespräsident Steinmeier ließ verlauten, es sei „ihm unvorstellbar“, dass es in Deutschland einen solchen Angriff auf eine Synagoge geben könnte. Wirklich? Unvorstellbar?!
Es gibt eine Tradition und Kontinuität rechter Terrorgruppen in Deutschland. Der mörderische Antisemitismus ist die Grundlage der Nazi-Ideologie, dessen Ziel ist die Vernichtung von Jüdinnen und Juden.

Auch der Umgang der Dominanzgesellschaft mit dem rechten Terror scheint immer gleich. Das Verdrängen, das Abwiegeln, Herunterspielen, Wegsehen wenn sich Nazis organisieren, zusammenrotten, losschlagen – auch das hat in Deutschland Tradition.

Unsere Trauer gilt den Opfern, unser Mitgefühl ihren Angehörigen und Freund*innen.
Unsere Solidarität gilt den Überlebenden und den Betroffenen von antisemitischer und rassistischer Gewalt.
Unser Hass gilt den Nazis und den Zuständen, die sie hervorbringen.

Deutschland ist der Einzeltäter.