Aufruf: „Träume versenken!“ anlässlich der zweiten Free-Gaza-Flottille

2011 traeume versenken2

Aufruf zur Demonstration anlässlich der zweiten Free-Gaza-Flottille // Sonntag 19. Juni 15 Uhr // U-S Bahn Landungsbrücken, Hamburg

„Ein Schiff wird kommen und meinen Traum erfüllen und meine Sehnsucht stillen die Sehnsucht mancher Nacht“: Eine Landkarte ohne Israel

Der Aufruf findet sich als pdf hier, das „Träume versenken“-Bündnis hier

Am Ende dieses Monats soll zum zweiten Mal ein Schiffskonvoi gegen Israel und in Richtung Gaza-Streifen ablegen. Auch die „Mavi Marmara“, die im Mai des vergangenen Jahres von israelischen Einheiten erstürmt wurde, wird von Istanbul aus starten und die zweite Gaza-Flottille anführen. Dabei wird von den Organisator_innen in diesem Jahr jedoch auf eine stärkere internationale Beteiligung gesetzt. Statt der sechs Schiffe im letzten Jahr sollen jetzt bis zu 15 Schiffe ablegen besetzt mit etwa 1.500 Teilnehmern aus mehr als 100 Ländern. Diese Flotte soll überwiegend von Europa aus starten, darunter auch ein deutsches Schiff, das voraussichtlich am 19. Juni in Hamburg ablegen wird.

Bereits im vergangenen Jahr wurde deutlich, dass es den Organisator_innen nicht um die vorgebliche Lieferung von Hilfsgütern ging. Obwohl die israelische Regierung angeboten hatte, die Güter im Hafen von Ashdod entgegenzunehmen und auf dem Landweg nach Gaza weiterzuleiten, bestand die Flottille darauf, die Blockade brechen zu wollen. Inzwischen ist der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen wieder geöffnet, über den Güter auch ohne Kontrolle Israels in den Gazastreifen gebracht werden können. Die Flottille ist ihrem offiziellen Anliegen nach vollkommen überflüssig und offenbart sich dieses Jahr mehr als das Propagandamanöver im Sinne der Hamas, das sie letztes Jahr schon war: Einer deren „Führer“, wie es immer heißt, Ismail Haniya hatte sich bereits im Vorfeld gefreut: „Wenn die Schiffe Gaza erreichen, ist das ein Sieg – und wenn sie von den Zionisten terrorisiert werden, ist das ebenfalls ein Sieg.“

Nachdem die „Mavi Marmara“ der Aufforderung der israelischen Marine das Schiff abzudrehen – welche mit „Shut up, go back to Auschwitz“ beantwortet wurde – nicht nachkam, stoppte die Marine das Schiff am 31. Mai 2010. Obwohl die israelische Regierung bereits angekündigt hatte, den Konvoi daran zu hindern die Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen, beharrten die Aktivist_innen auf ihrem Plan. Dabei wurden neun Flottillen-Aktivisten getötet und über vierzig Aktivisten sowie sieben israelische Soldaten verletzt. Die internationale Öffentlichkeit verurteilte nun weder die Organisator_innen der Flottille, noch die Aktivist_innen, die bewusst in eine militärische Abwehr fuhren und ihr Leben aufs Spiel setzten, um Israel in eine gewaltsame Auseinandersetzung zu drängen. Das Ziel einer internationalen Verurteilung Israels, das wie jeder Staat seine Souveränität gegen die Aggression verteidigte, wurde erreicht: Die Europäische Union und die Vereinten Nationen forderten eine internationale Untersuchung des Vorfalls während in Deutschland die Delegitimierung Israels ihren vorläufigen Höhepunkt in der einstimmigen Annahme des Antrags „Ereignisse um die Gaza-Flottille aufklären – Lage der Menschen in Gaza verbessern – Nahost-Friedensprozess unterstützen“ im Deutschen Bundestag fand.

Im Duktus des ausgewogenen „ehrlichen Maklers“ – Deutschlands Lieblingsrolle seit Bismarcks Zeiten – wurde dabei festgestellt: „Die Blockade Gazas ist kontraproduktiv und dient den politischen und Sicherheitsinteressen Israels letztlich nicht.“ Was Israel „dient“, entscheiden Deutsche, heißt dies im Klartext. Norman Paech, der als einer von drei Abgeordneten mit den Kolleginnen Höger und Groth von der Partei „Die Linke“ auf der Schiffen mitgefahren war, träumte den Traum von der Unterwerfung Israels durch Deutschland offener weiter: Das nächste Gaza-Schiff könnte doch, so schlug er auf einer öffentlichen Veranstaltung in Hamburg vor, gleich von der deutschen Marine begleitet werden.

Nach der Gaza-Flottille 2010 wurde relativ bald bekannt, dass die IHH, die Foundation for Human Rights and Humanitarian Relief (Insan Hak ve Hürriyetleri Insani Yardım Vakfı), eine der wichtigsten Initiatorinnen der Flottille, nicht nur als Hilfsorganisation agiert, sondern ebenso eine mit Milli Görüş verbandelte türkische Finanzierungsorganisation des internationalen Islamismus ist. Hinzu kamen Informationen über Abschiedsbriefe einiger Mitglieder der IHH, in denen sie erklärten, als Märtyrer sterben zu wollen. Dies führte dazu, dass sich die Linkspartei inzwischen auch wegen ihrer Beteiligung an der Gaza-Flottille mit der Kritik am Antisemitismus ihrer Mitglieder auseinandersetzen musste. Nach aktuellen Berichten in verschiedenen Tageszeitungen über eine Studie von Samuel Salzborn und Sebastian Voigt zum Antisemitismus in der Linkspartei, wurde am Dienstag der vergangenen Woche noch eilig ein Beschluss gefasst, der unter anderem den Fraktionsmitgliedern eine Beteiligung an der neuen Gaza-Flottille untersagt.

Doch wie das Konzept einer Internationalisierung des sogenannten Nahostkonflikts zur Einschränkung Israels staatlicher Souveränität im Zusammenhang mit der neuen Gaza-Flottille funktionieren könnte, zeigt die Fraktion der Europäischen Vereinigten Linken im EU Parlament: Sie stellte am 23. Mai die Anfrage, welche Maßnahmen der Europäische Rat zu ergreifen beabsichtige, um „eine Wiederholung der tragischen Ereignisse vom 31. Mai 2010 zu vermeiden und den Schutz der Menschenrechtsaktivisten sicherzustellen“ und dafür Sorge zu tragen, dass die „internationalen Menschenrechtsstandards eingehalten werden“ – dies zielt auf mindestens eine politische, wenn nicht militärische Intervention ab.

Fünf Tage zuvor war bereits aus derselben Fraktion drohend gefragt worden: „Beabsichtigt die EU, angesichts der Teilnahme von Delegationen der EU-Mitgliedstaaten sowie der Anwesenheit von Mitgliedern des Europäischen Parlaments alle Maßnahmen einzuleiten, um die Unversehrtheit ihrer Bürger sicherzustellen?“ Der von Norman Paech erträumte „Geleitschutz“ durch die deutsche Marine wächst hier zum europäischen Einsatz für die „internationalen Menschenrechtsstandards“, der getrost die bewaffneten Islamisten auf der „Mavi Marmara“ ignorieren kann.

Die Menschenrechtsrhetorik der Organisator_innen und Unterstützer_innen der Flottille dient dem agitatorischen Zweck, Israel an den Doppelstandards zu blamieren, denen seine staatliche Souveränität unterstellt wird. Der Unwille der in den palästinensischen Gebieten regierenden Parteien, die eigene Außengrenze und damit auch Israels Grenze zu garantieren, wird Israel projektiv zum Vorwurf gemacht. Denn solange die palästinensischen Parteien nicht gewillt sind, etwa Raketenbeschuss und Waffenschmuggel zu verhindern bzw. über kein Gewaltmonopol verfügen, dies durchzusetzen, wird Israel gezwungen sein, auch die Kontrolle der Israel abgewandten Seite der Grenze der Autonomiegebiete als eigene Aufgabe zu begreifen. Für diesen außerlegalen Zustand kann es keine Norm des internationalen Rechts geben, Verfahrensweisen können höchstens in Vereinbarungen festgelegt werden, wie es das Gaza-Jericho Abkommen eines war. Dies aber auch nur dann, wenn sich beide Seiten als quasi-staatliche Gewalt anerkennen mit der Absicht, diese Gewalt in Zukunft nicht mehr gegeneinander zu wenden. Die Friedens- und Menschenrechtsrethorik strebt dies nicht einmal an, wenn mit ihr Aktionen unterstützt werden, die Israel in eine solche Lage bringen. Sie nutzt vielmehr den objektiv außerlegalen Zustand, um die Legalität der israelischen Souveränität zu negieren. Auf Basis dieser, dem Schema antisemitischer Projektion folgenden Verkehrung, kann dann selbst noch ein Bundeswehreinsatz als friedenschaffende Maßnahme erscheinen, obwohl er der Sache nach eine Kriegserklärung wäre. Sie reiht sich ein in Aktionen wie zuletzt den Aufmärschen, mit denen versucht wurde, die israelische Grenze im Golan zu überwinden, wobei das syrische Regime und die PFLP-GC viele Tote in Kauf nahmen. Trauernde Angehörige setzten daraufhin das Hauptquartier der PFLP-GC in Damaskus in Brand – und zeigten damit mehr Vernunft als Teilnehmer_innen der Flottille 2010, die wie Norman Paech, auch nach Konfrontation mit Videoaufnahmen, bis auf zwei Stöcke in den eigenen Reihen keinerlei Waffen gesehen haben wollten.

Diese Versuche, Israels Territorium und Souveränität zu verletzten, die Einigung von Fatah und Hamas auf die einseitige Ausrufung eines palästinensischen Staates und nicht zuletzt die Neuauflage der Gaza-Flottille sollen Israel in der Weltöffentlichkeit in die Defensive zwingen: Indem es zu Reaktionen auf „friedliche“ Provokationen gezwungen wird, soll mit Bezug auf das „Völkerrecht“ Israels Verteidigung seiner staatlichen Souveränität delegitimiert werden. Basierend auf dieser Strategie konkurrieren inzwischen auch die Türkei mit dem Iran oder Syrien, während die EU sich bislang noch als mahnender „Freund und Partner“ geriert.

Das aus dem Hamburger Hafen auslaufende Schiff ist Teil der internationalen Kampagne gegen den jüdischen Staat. Gegen alle Angriffe auf die Souveränität Israels und seiner Selbstverteidigung rufen wir für den 19. Juni zu einer überregionalen Demonstration nach Hamburg auf.

Solidarität mit Israel!