Racial Profiling in Köln – Der Anfang des Superwahljahres 2017

Mit Entsetzen haben wir den rassistischen Einsatz der Polizei am Kölner Hauptbahnhof zur Silvesternacht verfolgt: insgesamt fast 1500 junge Männer mit sogenanntem Migrationshintergrund wurden laut diverser Augenzeug*innen anlasslos und nur auf Grund ihres Aussehens aus der Masse der Anreisenden selektiert und stundenlang eingekesselt.


Jeder rassistische Vorfall hat nicht nur die Dimension des Vorgangs selbst, sondern auch die Reaktion darauf ist Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse. Ist es möglich den Rassismus öffentlich zu kritisieren, gibt es womöglich wirksame Gegenmaßnahmen, oder Proteste dagegen oder ist es wie in den letzten Tagen zu sehen?

Der rassistische Rollback lässt sich in den sozialen Medien nicht nur auf den gängigen Pegida- und AfD-Seiten erkennen. Die Hetze der BILD ist nur die Speerspitze, auch bis weit in das linksliberale Lager hinein wird der Polizeieinsatz gutgeheißen. Nicht nur Spitzenpolitiker*innen der Grünen wie Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckhardt legitimieren den Einsatz und danken der Polizei, auch Tina Hassel von der ARD oder das Bündnis „Buntes Dresden“ melden sich zu Wort. Nicht nur verkennen diese völlig den rassistischen Gehalt der polizeilichen Maßnahme und legitimieren diesen dadurch mit. Sie tragen bei zu einer weiteren Normalisierung von Rassismus in Deutschland. Mehr noch, durch ihre Beiträge versuchen sie jegliche Kritik an Rassismus als „Scheindiskussion“ zu unterbinden.

Am institutionellen Rassismus in den Behörden und der Polizei hat sich seit dem NSU offensichtlich nichts getan. In der Tradition der „SoKo Bosporus“ zeigt sich nun der interne Begriff des „Nafri“, was wohl polizeiintern für „Nordafrikanischer Intensivtäter“ steht, oder für „Nordafrikaner“ allgemein, was von beiden bleibt unklar. Dass dieser in einer öffentlichen twitter-Meldung der Polizei NRW genutzt wurde, ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Der eigentliche Skandal beginnt schon bei dessen Nutzung. Hier wurde offensichtlich nicht nach „Intensivtätern“ gesucht, sondern schlicht nach Hautfarbe selektiert. Dass es dafür bereits einen Begriff im polizeilichen Sprachgebrauch gibt, lässt tief blicken.

Racial profiling, also das Kontrollieren von Personen lediglich auf Grund ihrer Hautfarbe, ist bei der deutschen Polizei in der letzten Zeit nicht auf Köln begrenzt gewesen. Auch in Hamburg wurden fast täglich innerhalb der letzten zwei Jahre vor allem Rund um die Hafenstraße und die Reeperbahn schwarze Menschen ohne konkreten Anlass kontrolliert, im Rahmen polizeilichen Vorgehens gegen vermeintliche Dealer.

Das Thema racial profiling kam medial in letzter Zeit immer wieder vor, es gab Klagen von mehreren Personen, die regelmäßig aufgrund rassistischer Motive kontrolliert worden waren. Wie wenig gesellschaftliche Relevanz die Kritik daran inne hatte, zeigt sich jetzt, wo nicht nur mehr und mehr gesellschaftliche Tabus fallen, sondern selbst in linksliberalen Kreisen eine Kritik an einem rassistischen Polizeieinsatz unmöglich gemacht wird.

Das Mindeste was eine bürgerliche Gesellschaft nach einem solchen Vorgang vorweisen müsste, ist eine Diskussion über die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Polizei. Stattdessen wird jedoch die Diskussion an sich skandalisiert. In diesem Falle würde es bereits ausreichen grundlegende Bürgerrechte, oder das Grundgesetz anzuführen. Das ist eigentlich die Aufgabe des bürgerlichen Lagers, erscheint aber nach der stattfindenden Verschiebung mittlerweile fast als linksradikale Position. Das Wahljahr 2017 beginnt beängstigend

sous la plage, Januar 2017