Redebeitrag „Imagine there’s no Deutschland“

Redebeitrag des Bündnisses und Demoblocks »Image there’s no Deutschland« am 03.10.11 in Bonn

Liebe Freund_innen und Genoss_innen,
wir haben uns hier und heute eingefunden, um unseren Hass auf Deutschland kundzutun und möglichst vielen deutschen Nationalist_innen den Tag zu vermiesen. Deutschland, das ist die Heimat des Täter_innenkollektivs, die Nation des volksgemeinschaftlich-organisierten Massenmordes an Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma. Kurz nach der sog. »Wiedervereinigung«, die in anderen Teilen der Stadt zu diesem Zeitpunkt befeiert wird, zeigte sich, was »deutsch« ist: Mehrere Tage andauernde Pogrome in Hoyerswerda, Mannheim-Schönau und Rostock-Lichtenhagen offenbarten den Versuch des wiedervereinigten deutschen Volksmobs, an der durch die Alliierten militärisch erfolgreich bekämpften Volksgemeinschaft anzuknüpfen; die von Angst erfüllte Vorstellung eines möglichen »Vierten Reiches« der damals gerade entstehenden antideutschen Linken lag hier nicht fern. Die deutsche Teilung war eine Folge des Nationalsozialismus und was die Deutschen heute, am 3. Oktober, feiern, ist vor allem der Schlussstrich unter der Geschichte, den die sogenannte „Wiedervereinigung“ bedeutet.

Wie im Aufruf des Bündnisses »Imagine there’s no Deutschland« betont wird, muss eine Kritik an Deutschland auf die deutsche Spezifik Bezug nehmen, auf den Nationalismus, der sich hierzulande immer völkisch formierte und sich auch heute noch zwangsläufig auf Auschwitz bezieht. Denn nach Auschwitz kann jeder Bezug auf Deutschland nur ein ablehnender sein; wer heute einen positiven Bezug auf Deutschland fordert, muss sich um die deutschen Verbrechen herumlügen. Der Teaseraufruf des »Bündnisses gegen die Einheitsfeierlichkeiten und den NRW-Tag 2011« lässt die Bezugnahme auf diese deutsche Spezifik leider völlig vermissen: Der Aufruf vermittelt den Eindruck, als sei Deutschland ein ganz gewöhnliches Land neben anderen, als hätten die Deutschen keinen Sonderweg beschritten, der letztlich in der Massenvernichtung kulminierte. Die Argumentation über »Standort« und »Konkurrenz« greift zwangsläufig zu kurz, da damit die spezifischen Entwicklungen von Ökonomie und deutscher Ideologie außer Acht gelassen werden. Zu diesen kann beispielsweise die spezifisch-deutsche Vorstellung von Arbeit gezählt werden, die stets der »Volksgesundheit« zu dienen hatte: Sogenannte »Nicht-Arbeitende«, sog. »Zigeuner« und »die Juden« wurden zur Negativfolie des produktiv-schaffenden deutschen Arbeiters stilisiert, sie wurden zu sog. »Volksschädlingen«. Obwohl der Teaser dazu aufruft, »in ganz besonderer Weise gegen Deutschland« zu protestieren, finden sich dazu keine Anhaltspunkte. So bleibt jegliche Geschichtlichkeit, die die Analyse von Spezifika, von Brüchen und Kontinuitäten beinhalten müsste, außen vor. Das ist nicht nur bedenklich, weil bei einer linksradikalen Demonstration gegen Deutschland die Verbrechen dieses Landes nicht genauso unerwähnt bleiben dürfen wie auf den offiziellen Einheits-Feierlichkeiten, sondern es ist auch inhaltlich falsch, weil das Deutschland von heute nicht ohne einen Rekurs auf seine Geschichte verstanden werden kann. Deutschland denken heißt auch heute noch Auschwitz denken.

Nationalismus ist eben nicht nur »ideologischer Fluchtreflex vor dem Druck kapitalistischer Konkurrenz», der sich »nach einer schützenden, solidarischen Gemeinschaft« sehnenden Menschen, wie der Teaser behauptet: Der deutsche Nationalismus ist seit jeher elementar mit völkischem Denken, mit Antiamerikanismus und Antisemitismus verknüpft, was auch die politischen Ereignisse der letzten Jahre gezeigt haben. Der massive Antiamerikanismus der nationalpazifistischen Proteste gegen den Irakkrieg, bei denen die vermeintlich geläuterten und friedfertigen Deutschen vereint gegen die USA zu hunderttausenden auf die Straße gingen, sind Zeugnis dieses Konglomerats. »Beifall im ganzen Hause« verzeichnete auch das Protokoll des Bundestages, als letztes Jahr einstimmig beschlossen wurde, dass die Blockade des Gazastreifens den »israelischen Sicherheitsinteressen« nicht dienlich sei: 60 Jahre nach der Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden durch das deutsche Täter_innenkollektiv geben nun Deutsche der Knesset politische Anweisungen. Der transformierte Nationalismus der deutschen »Aufarbeitungsweltmeister« hat an Deutscher Ideologie also nichts eingebüßt: Wenn es um völkische Selbstbestimmung bzw. das Völkerrecht und gegen den Imperialismus geht, ist Deutschland stets zu militärischen Interventionen bereit – besonders, wenn der Feind Israel heißt. So schlug Norman Paech der Linkspartei Hamburg unter Beifall des anwesenden Publikums vor, die diesjährige wiederum primär von Islamisten organisierte »Free Gaza-Flotilla« von der deutschen Marine begleiten zu lassen. Das »Bündnis gegen die Einheitsfeierlichkeiten und den NRW-Tag 2011« macht es sich, symptomatisch für die aktuellen Diskussionen der deutschen Linken im Teaseraufruf also zu leicht, wenn es die deutsche Spezifik unbeachtet lässt – eine Kritik an Deutschland, die sich lediglich auf »Standort« und »Konkurrenz« konzentriert und dabei Deutschlands schlimmste Verbrechen nicht mal erwähnt, muss eine ungenügende bleiben.

Notwendig ist eine wirklich radikale Kritik an diesem Staat, die nicht vergisst, was die Deutschen getan haben, und wozu sie auch heute noch in der Lage sind. Die aktuelle Weltwirtschaftskrise, die deutsche Vormachtstellung in Europa und die chauvinistische Hetze gegen „Pleite-Griechen“ sind ein Grund, sich zu fürchten. Wir gönnen den Deutschen ihre Feierlichkeiten nicht. Wir verabscheuen die deutsche Selbstzufriedenheit, wir fürchten den neuen deutschen Weltmachtstatus. Wir verachten das Gerede von aufgearbeiteter Vergangenheit und den immer noch virulenten Antisemitismus. Wir hassen die Nazis dieses Landes ebenso wie die Linken, die mit Auschwitz Kriege begründen. Wir wollen, dass dieses Land endlich aufgelöst wird.

Nie wieder Deutschland.

Für den Kommunismus.

Dies war ein Redebeitrag des Bündnisses und Demoblocks »Image There’s No Deutschland«.

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